Der Dienst am Nächsten ist neben der Feier der Liturgie und der Verkündigung des Glaubens jener Ort, an dem sich Kirche seit ihrer Entstehung verwirklicht. Sie beruft sich dabei auf das im Neuen Testament vielfach bezeugte Eintreten Jesu für die am Rande der Gesellschaft Stehenden. Dabei ging und geht es bis heute nicht nur darum, diese Menschen zu sättigen oder ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern sie mit ihrer ganzen Existenz in die Mitte zu stellen und ihnen somit ein Gesicht zu verleihen und ihnen ihre Würde zurückzugeben.
Unsere SchülerInnen haben sich in den Religionsstunden des 2. Semesters intensiv mit dem Thema Caritas als organisierte christliche Nächstenliebe befasst und nahmen an zahlreichen Aktionen teil. So besuchten die SchülerInnen der 5. Klassen einen überaus spannenden Vortrag von Frau Mag. Musenbichler, der Leiterin der Vinzenzwerke, in dem sie einen Einblick in die vielfältige Tätigkeit der Organisation bekommen konnten.
Die 4B Klasse unternahm einen Lehrausgang ins Vinzidorf in St. Leonhard und konnte dort mit Betreuern und Bewohnern ins Gespräch kommen, die von ihren Lebensschicksalen erzählten. Die so gewonnenen Eindrücke sollen an dieser Stelle in einem Beitrag von Olivia Högler für sich sprechen:
„Die 4.B traf sich am 12.5.2015 nach der ersten Unterrichtsstunde vor dem Barocktor zu einem Ausflug der besonderen Art, auf den sich die ganze Klasse schon sehr lange gefreut hatte. Nach einer kurzen Fahrt kam sie beim Vinzidorf Leonhardplatz, ihrem Ziel, an. Auf den ersten Blick sah es aus, wie ein kleines Dorf, das sich auf irgendeine Weise in die Stadt verirrt hatte. Die grünen Bäume zierten die Gehwege zwischen den verschiedenfärbigen Containern, welche dort überall kreuz und quer, aber doch geordnet herumstanden. Die ganze Klasse fand dann schließlich Einlass in einem der größten Container, dem dort so genannten ‚Wohnzimmer‘, das vielleicht bei manchen gerade einmal doppelt so groß war wie ihr Schlafzimmer. Es gab eine Sitzecke mit einem Sofa, zwei Sessel und vier Esstische, um die ein paar Stühle standen. Auf den Tischen standen jeweils ein Wasserkrug, Apfelsaft und Knabberei für die Klasse zum Verzehr bereit. Ein Betreuer erzählte der Klasse ausführlich über das Vinzidorf und seine Projekte:
Das Vinzidorf existiert schon seit dem 1.Dezember 1993. Angefangen hatte alles mit dem Pfarrer Pucher vor 25 Jahren in Eggenberg, der mit einem Kleinbus Essen und Trinken an die Armen und Obdachlosen austeilte. Doch der Pfarrer erkannte, dass er diesen Menschen irgendwie helfen musste, wieder auf die Beine zu kommen. Dazu brauchten sie einen Platz zum Wohnen. So errichtete Pfarrer Pucher in 40 Tagen mit Dutzenden freiwilligen Helfern ein Containerdorf, das eigentlich nur vorübergehend eine Lösung hätte sein sollen, doch nun steht dieses kleine Dorf mitten in der Stadt schon 22 seit Jahren. Es bietet 33 Plätze für alkoholkranke obdachlose Männer, die schon längst den Mut zum Leben verloren haben. Zusätzlich gibt es noch 6 Plätze für Kranke oder behinderte Männer in der Krankenstube. Die Männer entscheiden selbst, was sie machen, wann sie kommen oder wann sie wieder gehen wollen.
Das Mindestalter für den Eintritt beträgt 40 Jahre und von da an bleiben die Meisten bis zu ihrem Tod im Vinzidorf. Als der Betreuer der 4.B Klasse dies schilderte, malte ein Bewohner nebenbei ein paar Grafiken ab. Dieser erzählte uns dann auch, was ihm in der Vergangenheit passiert war, und als er aber beim Schluss seiner Geschichte angekommen war, meinte er: ,,Wo soll ich denn anderst hin? Hier geht es mir gut.“
Am Ende führte eine junge Praktikantin die Jugendlichen noch zum dorfeigenen Friedhof. Die Grabsteine hatten die Bewohner selbst gestaltet und mit Motiven versehen. 60 Menschen haben dort schon sicher glücklicher als zuvor ihren Frieden gefunden und sind, wie an der ewigen Ruhestätte auf einem Schild zu lesen war, ’nach Hause gegangen‘. Die 4B Klasse wird sich bestimmt noch lange an diesen interessanten, traurigen, aber auch schönen Ausflug erinnern.“
Die gesamte Schule beteiligte sich am Vinziprojekt „Schuljause für Hostice“ in der Slowakei. Wir finanzieren für einen Monat die Jause für alle 150 Schüler der Pflichtschule in Hostice, die beinahe ausschließlich von Roma-Kindern besucht wird. Viele Schüler kamen gerne der Einladung nach, freiwillig einen Euro ihres Taschengeldes für dieses Projekt zu verwenden. Die Finanzierung der Jause für die restlichen Monate des Schuljahres wird von anderen Grazer Schulen übernommen werden. Das gespendete Geld – die Aktion läuft noch – wird am Schulschluss Pfarrer Pucher im Rahmen des Schlussgottesdienstes übergeben werden.
Wir bedanken uns bei unseren SchülerInnen für ihr Interesse, ihr Engagement und die Diskussion.
Der enormen Präsenz von Pfarrer Pucher ist es zu verdanken, dass die Schüler interessiert seiner Predigt beim Schlussgottesdienst lauschten, in der er auf die zwei Arten von Armut zu sprechen kam: es gibt eine Armut, die das Herz anrührt, die zu Mitleid und Hilfsbereitschaft führt, wenn es um kleine Kinder, Frauen und Schutzbedürftige geht. Es gibt aber auch eine hässliche Seite der Armut, die dazu verleitet, die Straßenseite zu wechseln und wegzuschauen. Hier hält sich die Hilfsbereitschaft in Grenzen. Gerade dieser Menschen nimmt sich Pfarrer Pucher mit seiner Organisation an und bietet ihnen in den Vinzidörfern Lebensraum. Die Schüler konnten sich im Rahmen von Exkursionen selbst ein Bild davon machen, wie diese Menschen, meist alkoholkranke und obdachlose Männer dort eine neue Heimat gefunden haben.
Im Rahmen des Gottesdienstes konnte Pfarrer Pucher ein Scheck in der Höhe von 800 Euro für das Projekt Schuljause in Hostice überreicht werden, damit kann die HIB-Liebenau für einen Monat die Jause für alle Schüler der Schule im Ort Hostice finanzieren, meist die einzige regelmäßige Mahlzeit für die Romakinder.